Sinziger Kleiderladen „Kunterbunt“ muss schließen

Foto: Mirjam Hagebölling (Bild vergrößern)
Bild zur Meldung: Foto: Mirjam Hagebölling
Der Kleiderladen „Kunterbunt“ in Sinzig, der vom Kinderschutzbund Ahrweiler betrieben wird, muss schließen. Es ist nicht das einzige Projekt des Kinderschutzbundes, das gefährdet ist.

 

Generalanzeiger Bonn am 16. Oktober 2025, von Mirjam Hagebölling
 

 

Der Kleiderladen „Kunterbunt“ in der Kölner Straße in Sinzig, der vom Kinderschutzbund Ahrweiler betrieben wird, muss aufgrund fehlender personeller Ressourcen seine Türen schließen. Das Projekt wurde 2014 ins Leben gerufen, um Familien den Zugang zu gut erhaltener Kinderbekleidung, Spielzeug und Damenkleidung zu ermöglichen. Trotz des durchweg positiven Zuspruchs und der großen Nachfrage war es insbesondere infolge der Flutkatastrophe 2021 und der Corona-Pandemie nicht möglich, ausreichend ehrenamtliche Mitarbeiter für einen dauerhaften Betrieb des Kleiderladens zu gewinnen, heißt es in einer Presseerklärung des Kinderschutzbundes.

 

„Im Grunde genommen hat uns die Corona-Pandemie das Genick gebrochen. Der Laden ist sehr klein und während der Pandemie durften aufgrund der Hygienebestimmungen höchstens zwei Personen gleichzeitig im Laden sein. Die teils betagten ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen hatten große Angst, sich mit Corona anzustecken. Daher haben wir während der Pandemie den Laden geschlossen“, resümiert Ulrike Ring-Scheel, Vorsitzende des Kinderschutzbundes Kreisverband Ahrweiler.

 

Danach habe man mehrere Anläufe genommen, den Laden wieder zu öffnen. Doch es fand sich niemand, der sich ehrenamtlich einbringen wollte und auch in der Ahrweiler Geschäftsstelle des Kinderschutzbundes habe man keine Kapazitäten, das Projekt wieder zu beleben. Zudem seien die aktiven Ehrenamtlichen, die im Laden vor der Pandemie aktiv waren, aus Altersgründen ausgeschieden. „Wir haben in den vergangenen Jahren beobachtet, dass Kindersachen zunehmend über einschlägige Internetplattformen verkauft werden und auch neue Kleidung so günstig ist, dass gebrauchte da kaum mithalten kann,“ so Ring-Scheel weiter. 

 

Finanzierung für Familienpaten läuft aus

„Die Entscheidung den Laden zu schließen ist uns nicht leicht gefallen, zumal man dort auch mit Familien in einem geschützten Rahmen hingehen konnte,“ betont die Sozialpädagogin Monika Hunger, die beim Kinderschutzbund das Projekt „Familienpaten“ leitet. Bei diesem Projekt hingegen fehlt es nicht an ehrenamtlichen Mitarbeitern, sondern an finanziellen Ressourcen. Die derzeitige Finanzierung läuft in Kürze aus. 

 

INFO Der Kinderschutzbund Ahrweiler

Der Kinderschutzbund wurde 1953 in Hamburg gegründet, versteht sich als „Lobby für Kinder“ und hat bundesweit rund 50.000 Mitglieder in 16 Landes- sowie 400 Orts- und Kreisverbänden. Seit 1991 ist der Kinderschutzbund auch im Kreis Ahrweiler aktiv. Die zentralen Anliegen und Ziele des Engagements vor Ort sind Gewaltfreie Erziehung, Bekämpfung von Kinderarmut und die Schaffung einer kinderfreundlichen Gesellschaft. Die Beratung für Eltern, Kinder und Jugendliche und der Elternkurs „Starke Eltern – Starke Kinder“ sind wichtige Angebote. Im vergangenen Jahr fanden 304 Beratungstermine statt, etwa ein Drittel mehr im Vergleich zum Vorjahr.

Die Tagespflegebörse und die Qualifizierung von Kindertagespflegepersonen sind weitere Schwerpunkte der Arbeit des Kinderschutzbundes vor Ort. Die offenen Baby- und Elterntreffs haben die Allerkleinsten ab dem dritten Lebensmonat im Blick. Naturnahe Lernangebote, erlebnispädagogische Angebote und Waldausflüge runden das Angebot ab. Weitere Informationen unter: www.kinderschutzbund-ahrweiler.de 

 

„Ein afrikanisches Sprichwort sagt: ‚Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind groß zu ziehen.’ Wir erleben, dass Familien heute nicht mehr so gut vernetzt sind innerhalb der eigenen Familie, der Nachbarschaft oder dem Freundeskreis, so wie es sein müsste, um der komplexen Aufgabe, eine Familie zu führen und Kinder zu erziehen, gerecht zu werden,“ meint Hunger. Das sprichwörtliche Dorf sei oft nicht vorhanden. Gleichzeitig gebe es Menschen, die Zeit, Herz und Kraft für solch eine Aufgabe mitbrächten und deren eigene Familie nicht in der Nähe wohne. Diese beiden gelte es zusammenzubringen. „Der Grundgedanke ist, dass wir Patenschaften anbahnen, vermitteln, absichern und betreuen“, erläutert Hunger. Die Ehrenamtlichen werden von ihr ausgewählt, geschult und qualifiziert. „Die Paten kommen in einer jährlichen Schulung zusammen und werden bestmöglich auf ihren Einsatz vorbereitet. In der Schulung geht es beispielsweise um Erziehungsfragen, das Thema Kindeswohl, Kommunikation, die persönliche Eignung und Motivation. Die zukünftigen Paten lernen auch die unterschiedlichen Hilfsangebote für Familien vor Ort kennen“, erklärt Hunger.

 

Die Familien, die sich einen Paten wünschen, seien bereit, jemanden in ihre Familie hineinzulassen. Das Patenprojekt ist niedrigschwellig angelegt und soll präventiv dort eine Lücke füllen, wo Familien Überforderung spüren. „Im besten Fall kann der Pate so etwas wie eine Patentante, eine vertraute Person, eine Ersatz-Oma oder ein Ersatz-Opa werden,“ meint Hunger. Es gebe auch Fälle, bei denen ein Pate nicht ausreiche und Fachleute gefragt seien. „In den allermeisten Fällen passt es gut und die Paten übernehmen einen klar abgegrenzten Bereich wie beispielsweise ein gemeinsames Hobby, Spielplatzbesuche, Termine und vieles mehr,“ sagt die Sozialpädagogin. 

 

Mehr als 100 Paten wurden ausgebildet

Insgesamt hat der Kinderschutzbund in den vergangenen 15 Jahren mehr als 100 Paten ausgebildet, im Projekt sind 65 Paten und derzeit bestehen 36 aktive Patenschaften. Manche Paten nehmen sich gerade eine Auszeit aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen oder Aufgaben in der eigenen Familie.

Wie schafft es Monika Hunger, dass die Paten und die Familien zusammenpassen? „Nach der Schulung haben die Paten viele Beispiele gehört und können dadurch sehr gut benennen, was ihre Kernkompetenzen sind und was sie sich zutrauen. Doch das Wichtigste ist, dass es menschlich passt. Da ich jede einzelne Familie zu einem Erstgespräch besuche und den Bedarf aufnehme, kann ich gut abschätzen, ob es passt. Dabei frage ich die Familie, welche Art der Entlastung sie sich wünschen,“ betont Hunger. Es komme natürlich auch auf die Entfernung zwischen Pate und Familie an, denn es mache keinen Sinn, länger im Auto zu sitzen, als in der Familie zu sein.

 

Seit dem Start des Patenprogramms vor rund 15 Jahren sei die Nachfrage immer höher gewesen als das Angebot. Ziel des Patenprogramms ist es, eine Unterstützung für Familien zu organisieren, bevor sich Probleme massiv auf das Gesamtsystem auswirken und eine Intervention von außen notwendig werde – der Kinderschutzbund leistet also auch hier wichtige Präventionsarbeit. 

 

Kinderschutzbund sucht weiterhin nach Paten

Eine positive Entwicklung der letzten Jahre ist laut Hunger, dass psychische Erkrankungen enttabuisiert worden sind und auch Eltern bereit seien, sich frühzeitig Hilfe zu holen. Dadurch sei es einfacher präventiv in den Familien tätig zu werden. „Das Projekt ist so konzipiert, dass die Paten ja nicht ewig in der Familie bleiben, sondern Hilfe zur Selbsthilfe in herausfordernden Zeiten leisten“, ergänzt Ring-Scheel. Die durchschnittliche Patenschaft bestehe etwa zwei Jahre. Einige Paten, die 2010 die erste Patenschulung besuchten, halten dem Kinderschutzbund und dem Patenprojekt bis heute die Treue. „Ich brauche weiterhin Leute mit Herz und Verstand, sie sich ehrenamtlich als Pate oder Patin engagieren möchten,“ sagt Hunger. 

 

Das Patenschaftsprojekt hat 2010 klein angefangen und eine Anschubfinanzierung von Aktion Mensch erhalten. Danach wurde es durch die „Bundesstiftung Frühe Hilfen“ mitfinanziert, diese unterstützt jedoch nur Familien mit Säuglingen und Kleinkindern. „Wir brauchen eine verlässliche Finanzierung nicht nur für das Patenprogramm, sondern auch für die vielen anderen tollen Projekte des Kinderschutzbundes im Kreisverband Ahrweiler“, meint Ring-Scheel.

 

Der Kleiderladen „Kunterbunt“, Kölner Str. 3 in Sinzig, öffnet ein letztes Mal im kommenden Frühjahr zum „Alles-muss-raus“-Verkauf. Der Termin wird frühzeitig bekannt gegeben. 


Wir danken Frau Hagebölling und dem Generalanzeiger Bonn für die Berichterstattung.